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Alles wird besetzt!

Kürzlich wurden in Wipkingen zwei Gebäude besetzt – und rasch wieder geräumt. Eine Demo zog anschliessend durch unser Quartier und bekundete Solidarität mit den Besetzungen.

Es sorgte bei uns intern für Schmunzeln, als sich die Polizei jüngst bei der Mutter eines Mitglieds meldete, in der Annahme, der Park Platz sei besetzt worden. Was natürlich nicht der Fall war, aber: Schön wäre es! Denn das würde bedeuten: kein Papierkrieg und keine Einschränkungen durch finanziellen Druck mehr. Alles, was der «Fluch der Legalität» mit sich bringt, fiele weg und es bliebe endlich wieder mehr Raum für Spontanität. Keine Bewilligungen fürs Hundehäuschen oder für den Stummfilm unter freiem Himmel mehr einholen und nach Lust und Laune bei offenem Fenster lauthals Karaoke singen!

Daher waren wir erfreut, als eine der Hallen des EWZ-Gebäudes gegenüber vom Park Platz am 30. Oktober besetzt wurde. Dort zu Besuch, haben uns «Su & Si», zwei Besetzerinnen, über die positiven Reaktionen und auch über die Neugier aus der Nachbarschaft erzählt. Wir sprachen auch über die Kampagne «Alles wird besetzt» des gleichnamigen Kollektivs. Diese wurde als Reaktion auf die bevorstehende Räumung des Koch-Areals in Zürich-Altstetten als letztes grosses autonomes Kulturzentrum gestartet. Der Name ist Programm: So wurden im Zuge der Kampagne bereits mehrere leerstehende Gebäude besetzt.

Grosses Interesse
Nach der Besetzung des EWZ-Gebäudes war der Ansturm aus der Nachbarschaft gross. Eine Anwohnerin empörte sich über den verschwendeten Platz und dass ein solcher Raum den Leuten vorenthalten werde. Eine andere brachte zehn Pack Eistee, um den Durst der Besetzer*innen zu stillen. Viele sagten, sie hätten bereits bei der Besetzung des ehemaligen Sozialzentrums Wipkingen vom 1. Oktober vorbeigehen wollen. Eine Besetzung, die von einem ähnlich grossen Polizeiaufgebot geräumt wurde, wie schliesslich das EWZ-Gebäude. In beiden Fällen wurde bewusst ein «Kultur-Polit-Squat» angestrebt, der sich der in der Stadt vorherrschenden Kommerz-Kultur entgegensetzt, die eine homogene Klientel bedient. «Es müssen mehr Zentren frei von kommerziellem Druck geschaffen werden, weil nur so Kultur für ein heterogenes Publikum Platz findet», sagt Su.

Verlorener Wohnraum
Mit der anstehenden Räumung des Koch-Areals geht neben einem der wichtigsten Orte für Alternativkultur auch viel selbstverwalteter Wohnraum verloren. Das ist angesichts des niedrigen Leerstandes und der Wohnungsnot, die immer mehr der prekären Situation in den 1980er-Jahren ähnelt, fatal. Auch für alternative Familienmodelle oder das Zusammenleben in grösseren Kontexten sind auf dem liberalen Wohnungsmarkt beinahe keine Angebote zu finden. Sogar der Immo-Experte Donato Scognamiglio erkennt die Wohnungsnot. Am 9. November äusserte er in der Zeitung «20 Minuten»: «Es wird ein riesiges politisches Thema, dass wir keine Wohnungen haben, eigentlich müsste es in Zürich Strassenschlachten geben.» Denn: Wo einst eine Besetzung an der Habsburgstrasse war, finden sich heute üble Luxuswohnungen. Das widerspiegelt den allgemeinen Vibe.

Die jüngsten Besetzungen in Wipkingen sind keineswegs etwas Neues. Die Stadt war in vergangenen Zeiten aber auch schon mal toleranter und liess Besetzungen mehr als nur zwei Wochen gewähren. Heute versucht sie die Kontrolle über die Besetzungen durch sogenannte Zwischennutzungen zurückzuerlangen. Selbstverwaltete Freiräume sind nicht mehr erwünscht. Dabei wären ohne manche Besetzungen gar keine Zwischennutzungen entstanden.

Demo in Wipkingen
Der Park Platz wird fälschlicherweise oft als Zwischennutzung betitelt. Wir betreiben das Areal jedoch in einem Gebrauchsleihvertrag und sind in Verhandlungen für einen Mietvertrag. Diesen haben wir uns erst erkämpfen müssen: Mit unserer Petition «Platz da» forderten wir nicht nur einen Direktvertrag mit der Stadt, sondern kritisierten auch allgemein die Handhabung alternativer Räume in der Stadt Zürich. Auch wird oft von einer Besetzung oder einer Zwischennutzung gesprochen, dazwischen finden sich jedoch viele Abstufungen. Diverse Raumnutzungen auf unterschiedliche Art sind wichtig für eine lebendige Stadt. Es sollen auch Menschen einen Platz finden, die sonst verdrängt werden.

Die Aktualität des Themas und das breite Interesse daran zeigte sich auch an den 300 Besucher*innen, die an der von der «WOZ» organisierten Veranstaltung am 3. November auf dem Vorplatz des EWZ zum Thema «Zu reich für Freiräume: Besetzen und Kollektivieren in der Finanzmetropole» teilnahmen. In Solidarität mit den geräumten Besetzungen – und für noch viele mehr – zog am 10. November eine Demo mit rund 300 Leute durch Wipkingen.

Auch wir als Park Platz wünschen uns, dass weiterhin Räume erkämpft werden, mit dessen Ideen wir uns verbünden können. Aber ob besetzt oder vertraglich geregelt, Hauptsache ist, es gibt in diesem «gentrifizierten Glaspalast Zürich» noch Raum zum Leben für alle. Auf der Website www.alleswirdbesetzt.ch steht: «Zeigen wir, dass nur Freiraum Alternativen hergeben kann und Kultur nicht in Kuration und Kommerz, sondern durch Autonomie und Kollektivität entsteht.» Dem können wir uns nur anschliessen.