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enough. ist genug.

Unter dem Namen "enough. Aktionstage zu Migrationskämpfen und antirassistischem Widerstand" organisierte ein Kollektiv aus Zürich eine zweitägige Veranstaltungsreihe zu den Themen Migration und Rassismus auf dem Park Platz und in der Autonomen Schule Zürich.

Über zwei Tage gab es Theater, thematische Vorträge, offene Diskussionsrunden und Lesungen. Ab und zu ein Konzert und Infostände verschiedener Projekte verteilten sich über den ganzen Platz. Enough. war eine Plattform, ein Treffpunkt, eine Bühne, eine Informationsstelle, ein Austauschort und schaffte Raum, um antirassistische Initiativen und den Widerstand gegen das Migrationssystem sichtbar zu machen. Es fanden im Prozess der Organisation Menschen zusammen, die sich zuvor nicht kannten und eine gemeinsame Diskussion über Rassismus und Migration führen wollten. Menschen mit Rassismuserfahrungen und ohne versuchten gemeinsame Wege zu gehen, um in einer gesellschaftlich relevanten Art und Weise über Rassismus, Migrationssysteme und den Widerstand dagegen zu sprechen.

Die Aktionstage zu Migrationskämpfen und antirassistischem Widerstand dienten einerseits dazu, die Schnittstellen und Komplexitäten dieser beiden Phänomene aufzuzeigen und erlebbar zu machen. Gleichzeitig war es auch ein Ziel, Verbindungen zwischen den Gruppierungen und den Ansätzen ihres politischen Kampfes (bspw. Kunst oder Bildung) herzustellen. Im Frühjahr 2020 wurde eine breitere Gesellschaft durch die Pandemie und die Black Lives Matter Bewegung nochmals auf die Dringlichkeit dieser Kämpfe aufmerksam gemacht. Enough. nutzte das Momentum um tiefgehender zu sensibilisieren, die Debatte weiter zu führen und eine Plattform für einen Austausch zu bieten.

Ein praktisches Beispiel für antirassistischen Widerstand lieferte der Workshop der Allianz gegen Racial Profiling. Diese definiert Racial Profiling folgendermassen: “Der Begriff «Racial Profiling» bezeichnet alle Formen von diskriminierenden Personen- und Fahrzeugkontrollen gegenüber Personengruppen, welche von Polizisten und Polizistinnen als ethnisch oder religiös «andersartig» wahrgenommen werden.”
People of Colour (eine Selbstbezeichnung rassistisch unterdrückter Menschen) sind stärker von Repression und willkürlichen Polizeikontrollen betroffen, weil sie von Polizist*innen aufgrund ihnen zugeschriebener Merkmale (wie beispielsweise die Hautfarbe) als potenziell kriminell eingestuft werden. In spielerischer Herangehensweise sollten die Workshop-Besuchenden also lernen, wie man sich verhalten kann, wenn man eine solche Situation beobachtet oder wenn man selbst Opfer einer rassistisch motivierten Polizeiaktion wird.

Es gab aber auch Inputs, die sich auf die Erzählung von Erlebtem konzentrierten, so wie die Veranstaltung “Fünf Jahre March of Hope”. Zwei Betroffene erzählten ihre eindrückliche Geschichte vom Durchbruch der Balkanroute im Jahr 2015 und den Widrigkeiten, denen sie auf ihrer Reise in die Schweiz begegnet sind. Es sind Geschichten voller Kraft und Leid, Geschichten die unglaublich klingen und dennoch wahr sind. An diesen Erfahrungen lässt sich die Unmenschlichkeit des europäischen Migrationssystems ablesen. Ein System das Menschen kategorisiert, ausschliesst, unterdrückt und verwaltet. Es ist das Resultat einer egoistischen Politik der europäischen Staaten, die ihre Verantwortung nicht wahrnehmen wollen. Anstatt Fluchtursachen zu bekämpfen, militarisiert Europa seine Aussengrenzen. Anstelle von Seenotrettungs-Schiffen partoullieren bewaffnete Frontex-Kreuzer. Täglich werden im Mittelmeer Menschen sterben gelassen unter den Augen der Öffentlichkeit. Es ist ein historisches Versagen unserer Zeit, dass sich daran nichts ändert. Die Reaktion der Politik ist nicht Solidarität, sondern Kriminalisierung von Seenotrettung, Verschärfung des Asylrechts und fremdenfeindliche Hetze. Umso wichtiger ist es in diesen Zeiten, solidarische Strukturen unabhängig der staatlichen Politik aufzubauen und sich gemeinsam gegen dieses unmenschliche System zu wehren.

Wir haben ein Wochenende lang über Migrationssysteme und Rassismus gesprochen und uns dabei auch einige Fragen gestellt. Wer spricht für wen? Wer erzählt über was? Diskurse über Rassismus sollten nicht von Stellvertreter*innen angeführt werden. Es ist wichtig, dass die Menschen zu Wort kommen, die Diskriminierung erleben und dass diese Stimmen ernst genommen werden. Es ist arrogant und unsensibel, wenn nicht von Rassismus betroffene Personen entscheiden wollen, was für Betroffene als rassistisch zu werten sei und was nicht. So mag es für einen Schaumbeulen-Produzenten aus Wattenschwil nicht diskriminierend sein, wenn er seine Süssigkeiten M-Kopf nennt – sehr wohl aber ist dieser Begriff für bestimmte Personen verletzend und abwertend. Und ob Leute sich von diesem Begriff nun diskriminiert fühlen oder nicht, das haben sie schon selbst zu entscheiden.

Das heisst aber nicht, das Menschen, die nicht von Rassismus betroffen sind, über das Thema schweigen sollen, denn Rassismus geht alle etwas an, nicht nur die, die von ihm unterdrückt werden. Die Wurzeln des Rassismus liegen in der Vergangenheit, doch seine Äste sind stark in unserer Gegenwart präsent. Es ist ein Problem, das in die Struktur unserer Gesellschaft eingewoben ist und sich auf viele Arten äussert – auf offensichtliche und versteckte. Das kollektive Bewusstsein über Rassismus und seiner Verankerung in unserem Alltag und die damit einhergehende Unterdrückung von bestimmten Menschen muss stärker werden und das wird es nur, wenn wir über diese Themen reden und unsere Vergangenheit aufarbeiten.

Hast du das enough. verpasst und willst dennoch ein bisschen mehr darüber wissen? Kein Problem. Auf unserer Website (www.aktionstage-enough.ch) findest du das ganze Programm der Veranstaltung, Informationen über die verschiedenen Gruppen und weitere Infos.

Ebenfalls auf unserer Website sind die Podcasts verlinkt. Das Internetradio Megahex.fm hat einige Vorträge und Workshops aufgenommen und die Aufnahmen stehen dir rund um die Uhr zu Verfügung.